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Das Matterhorn – ein Jahr im Sinn und die Krönung einer Woche im Wallis

Eine Reise kann nicht nur mit dem ersten Schritt, sondern auch mit einem Gedanken starten. Na ja, irgendwie ist das auch ein erster Schritt. So fassten wir in 2023 den Beschluss das Matterhorn ein Jahr später zu besteigen und arbeiteten einen Plan für Vorbereitungstouren und die Durchführung des Vorhabens aus.

Nach Ortler, Olperer, Hochgall und diversen anderen hohen Bergtouren im Jahr 2024 in unterschiedlicher Konstellation, waren alle vier Teilnehmer der Unternehmung, Viola (Liegl), Heinz, Manfredo und Sven, bereit den Traum anzugehen. 

An einem Augustsamstag um 04:00 Uhr ging die Reise in die Schweiz los. Erstes Ziel im Wallis war die Weissmieshütte (2726m), welche wir am frühen Nachmittag erreichten. Das Wetter so lala mit vielen Wolken und einzelnen Tropfen. Nichtsdestotrotz wurde noch ein wenig Höhenaktivität unternommen. In Hüttennähe liegt der höchste Klettersteig der Westalpen, welcher vom Jegigrat zum Jegihorn (3206m) führt. Schön angelegt und mit einer sehr langen Hängebrücke, welche die beiden Jegi-Felsbrocken verbindet. Im Hochnebel sehr interessant, wenn man das andere Ende noch nicht mal sehen kann. 

Der zweite Tag bot auch nur ein kurzes Zeitfenster an, welches akzeptabel genug war das nächste Ziel das Lagginhorn (4010m) zu erkunden. Der avisierte Anstieg über den Süd-Grat war schon leicht eingeschneit, was die Überschreitung deutlich anspruchsvoller machen würde. Als am Abend und in der Nacht nochmal 10-20 cm zusätzlicher Schnee dazukam, entschlossen wir uns am nächsten Tag nur den Normalweg (Westgrat) anzugehen. 

Leider kam der angekündigte Wetterumschwung mit 12h Sonne und bester Sicht nicht. So war die Akklimatisierungstour eine eher nebelige und kalte Angelegenheit bis zum Gipfel und auch wieder hinab. Die morgendliche Sonnencreme, mit Vorfreude aufgetragen, diente da eher als Kälteschutz. Mit Verspätung zeigte sich der gelbe Planet dann doch und bescherte uns einen schönen, warmen Hüttennachmittag.

Nach einer weiteren Übernachtung auf der Weissmieshütte war die stabile Hochdrucklage da und wir waren alle erleichtert, dass die Verhältnisse für unsere Matterhorntage ideal werden sollten. Was macht man an einem Abstiegstag? Man klettert noch eine Runde am Jegihorn, wo zwei kurze 7 Mehrseillängenrouten nebeneinander eingerichtet sind.

Jede Seilschaft schnappte sich eine davon und in genußvoller Granitkletterei ging es bei Sonnenschein nach oben. Gut, dass ein angenehmer Wind blies, sonst wären wir als Brathendl oben angekommen. 

Gegen Mittag verabschiedeten wir uns von der Weissmiesgruppe und wir begaben uns nach Saas Grund, wo ein Pensionszimmer mit warmer Dusche und flauschigen Betten auf uns wartete. 

Unpraktischerweise für das nächste Tourenziel, lies Sven seine Hochtourenschuhe auf der Weissmieshütte zurück. Also die über 15 Jahre alten, stinkenden und schweren Tretern abholen oder neue Hochtourenschuhe im Tal besorgen. Die Entscheidung war nicht allzu schwer, und im Intersport Zubriggen war schnell ein Paar Schuhe mit passenden Kombi-Steigeisen ausgewählt. Die alten Step-In Steigeisen mit Bügel vorne sind wohl auch aus der Zeit gefallen und nur noch bei Skitouren im Einsatz. Besonders interessant war allerdings die beigefügte Beschreibung, wo man unbedingt darauf achten muss, dass das Verschlußgeräusch des hinteren Kipphebels des Steigeisens “Clack” macht und keinesfalls “Click” ! Man erahnt was gemeint ist, aber mal eine etwas kreativere Anleitung. By the Way, bei amerikanischen Steigeisen soll es sich nach einem satten “Whack” anhören. Also: Ohren auf beim Steigeneisen zumachen.

Am Abend war Pizzeria angesagt und nach einer erholsamen Nacht fuhren wir ein Tal weiter nach Täsch, wo uns der Zug nach Zermatt brachte. Aus dem Ort war das Matterhorn und der Hörnligrat bereits gut zu erkennen. Aus der Ferne ein absolut beeindruckender felsiger Fangzahn.

Wir gondelten zum Schwarzsee und von dort in knapp zwei Stunden wanderten wir zur Hörnlihütte (3260). Nachdem das Zimmer bezogen war, konnte über ein Hüttenfernglas der Grat und die herunterkommenden Seilschaften im Detail beobachtet und ausgekundschaftet werden. Ein Hubschrauber der Air Zermatt schien im Dauereinsatz zu sein. Aufgrund des Anflugortes in der Ostwand tippten wir auf eine Rettungsübung. 

Am frühen Nachmittag gingen wir den Einstieg und die erste Stunde der Route erkunden, welche wir am nächsten Tag im Dunkeln zu bewältigen hatten. Aus zwei Gründen ist dies sehr empfehlenswert oder anders gesagt notwendig, wenn man wie wir ohne Bergführer unterwegs ist. Einerseits um die anspruchsvolle Wegfindung kennenzulernen sowie sich das erste Stück des Weges bereits einzuprägen und anderseits um als Seilschaft sich auf die Begehung einzustellen. 

Die Hütte war zum Abend hin voll. Ungefähr 40 Bergführer jeweils mit einem Gast und wenige Seilschaften ohne Bergführer, würden am nächsten Tag den Berg besteigen. 

Nach einer kurzen Nacht frühstückten wir um 04:15 Uhr, 5 min bevor die Bergführer mit ihren Gästen aus der Hütte gingen. Die Abgehzeiten sind an einer Tafel am Vortag bereits ersichtlich, die Hüttentüre ist abends verschlossen und wird morgens pro Gruppe geöffnet. Wir sind in der Schweiz, da hat alles noch seine (sehr eigene) Ordnung.

In zwei Zweierseilschaften waren wir in der Gruppe die als Letzte von der Hütte losdurfte. Damit entfällt die Möglichkeit sich an der Wegfindung der Bergführer zu orientieren und damit ist auch der Grundstein gelegt, dass man sich mit den zurückkommenden Bergführerseilschaften im Gipfelbereich im Gegenverkehr befindet.

Die Orientierung und insgesamt die Wegfindung ist gerade im unteren Abschnitt des Hörnligrates anspruchsvoll, aber machbar. Schnell gewöhnt man sich an die doch vorhandenen Markierungen (weißer Punkt, blauer Punkt und sehr vereinzelte weiße oder rote Pfeile). Steinmänner gibt es kaum, offensichtlich werden diese nicht geduldet und von den lokalen Bergführern beseitigt. Meist gibt es einen Hauptpfad, der etwas mehr ausgetreten ist als die vielen möglichen Nebenpfade. Vorhandenen Schlingen und Schlaghaken ist wenig zu vertrauen, dort wo Bohrhacken oder Eisenstifte sind, ist man definitiv richtig. Man sollte sich allerdings darauf einstellen nicht immer auf Anhieb den optimalen Weg zu finden. Wer ohne Bergführer geht hat die Pflicht sich sehr gut vorzubereiten und die einzelnen Abschnitte des Weges gut zu kennen. Wer sich in dieser Wand versteigt oder unaufmerksam ist, hat ein hohes Absturzrisiko was die Unfallzahlen belegen. Leider ist auch an unserem Tag eine Seilschaft im Abstieg verunglückt. 

Wir waren bis zur Schulter, also knapp 400hm unterhalb des Gipfels in der Zeit. Was dann passierte ist allerdings nur vorstellbar, wenn man es erlebt. Von der Schulter weg führt nur ein Weg zum Gipfel, der mit Fixseilen aus Unterarm dicken Hanf versichert ist. Dieser Weg wird im Aufstieg und Abstieg genutzt und ist das Nadelöhr der Tour. 

Als wir ankamen, waren die lokalen Bergführer bereits durch und die auswärtigen Bergführer großteils im Abstieg. Zwei Amerikaner blockierten einen kompletten Abschnitt, da sie erst im kombinierten Schnee- und Eisgelände gemerkt haben, welchen Einsatzzweck Steigeisen und Pickel eigentlich dienen. Ein Drama bis die Eisen an den Schuhen waren und die beiden sich “liegend” an den nächsten Umlenkpunkt geschoben hatten. Dann muss sortiert werden, wer runter und wer hoch geht, und immer wieder kommt es zu heiklen Situationen. Bergführergäste werden abgelassen und die haben teilweise keine Ahnung, was sie mit Ihren Steigeisen anfangen, wo sie sich hinstellen und wie selbstsichern sollen. Genervte Seilschaften, die endlich nach oben wollen, genervte Seilschaften, die nach unten wollen und alles spielt sich auf wenigen Zentimetern am selben Fixseil ab. Zudem kann man völlig unsinnige und improvisierte Sicherungsmethoden (wie z.B. eine Reihenschaltung mehrerer HMS-Knoten hintereinander) beobachten, welche die Situation komplizieren und verlangsamen. An diesen Stellen darf man sich allerdings auch keinesfalls ungesichert bewegen, da die Mitreißgefahr durch andere sehr hoch ist.  

Nach einer Ewigkeit kommt man aus dem Fixseil-Bereich heraus und kann über das obere Eisfeld seinen Weg auf den Gipfel besteigen. Erst dort können auch andere Seilschaften wieder einfach überholt werden. Auf dem Traumberg in 4478m Höhe zu stehen ist dann doch was ganz Besonderes und lässt einen jedes Glückshormon im Körper spüren. 

Der Abstieg erfordert Konzentration und die technischen Schwierigkeiten lassen einen bereits auf dem Eisfeld wieder schnell in Rhythmus kommen. Wir haben einen unfreiwilligen Zwischenstopp auf der Solvayhütte eingelegt, da die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war im Abstieg in der Dunkelheit zu enden und mit Stirnlampen wollten wir den unteren Teil der Tour nicht zu Ende gehen. 

Am nächsten Tag war dann die Wegfindung vereinfacht und wir konnten uns Zeit zum Genuss des beeindruckenden Panoramas lassen. Kurz vor Mittag waren wir alle vom Matterhorn herunten und konnten den Grat und unser Gipfelerlebnis auf der Hüttenterrasse bei einem Radler und einem Gipfelrösti - eine absolute Energiebombe mit vermutlich 4478 Kalorien 😉 - reflektieren. 

Der Weg ins Tal und die Heimfahrt waren dann gerade lang genug, um zufrieden und dankbar zurückzublicken auf eine lange Reise, die mit einem Schritt begann und dem sehr viele bis zu ihrem Ziel gefolgt sind.